"Les fleurs tristes"
2020/21
Fotogramme auf Agfa sw Fotopapier
Serie, je 40,5 x 30,5 cm
Barbara Haiduck zeigt eine besondere Form der Sicht-barmachung von Gerüchen. Ihre Serie von Blumen-abbildungen sind Foto-gramme, die entstehen, indem Blumensträuße über mehrere Tage auf Fotopapier gelegt werden, das in schwachem Tageslicht belichtet wird. Das Pflanzenhormon Ethylen, das den Verwelkungsprozess an-regt und exponentiell vorantreibt und den typischen Geruch verwelkender Blumen erzeugt, greift in den Belichtungsprozess ein und ruft die wolkige Gestaltdiffusion der Blumenabbildungen hervor. Barbara Haiduck macht Gerüche sichtbar und nutzt diese als bildnerische Mittel. Die Blumen werden in ihrem olfaktorischen Wesen gefasst und visualisiert, in einem Transferverfahren, das zu einem Festhalten des Geruchsbildes führt. Der spezifische Geruch der Pflanzen bleibt als Bild übrig, das die ursprüngliche Gestalt, deren olfaktorische Dimension und den Verwelkungsprozess zeigt. Diese Blumen wirken wie Geister ihres ursprünglichen Wesens. Die Wohlgerüche, die man mit Blumen assoziiert, werden in den dennoch ästhetischen, malerischen Darstellungen zu einem ätzenden Material im Prozess des Verwelkens. In ihrem visuellen Nachklang repräsentieren diese Blumen auch die Flüchtigkeit des Geruchs. Die Vergänglichkeit wird zum Bildinhalt und zwar in ihrer besonderen Schönheit und – anders als in traditionellen Vanitas-Symbolen – als bereits Vergangenes. Fast automatisch stellt sich in diesen Fotogrammen eine Geruchs-rezeption ein, die nichts mit den Duftassoziationen herkömmlicher Blumenstillleben zu tun hat, in deren kunsthistorische Tradition die Bilder dennoch eingeordnet werden können. Barbara Haiduck hält damit eine olfaktorische Ebene der Ambivalenz zwischen guten Düften und schlechten Gerüchen fest.
Text: Dr. Ingmar Lähnemann, Städtische Galerie Bremen
Ausstellung: Olfaktor: Geruch gleich Gegenwart, 2021
Projekt: smell it! in Bremen und Bremerhaven in 8 Museen